Skepsis 2

Auszug aus Enquiry of Human Unterstanding, Section XII

Skepsis, die es nicht gibt

(2) Ein Skeptiker wird als einer der Feinde der Religion betrachtet, der unvermeidlich die Empoerung aller religioesen und streng metaphysisch denkenden Philosophen hervorrufen dürfte.  Sie halten ihn fuer einen Menschen, der weder eine eigene Meinung, noch eigene Grundsaetze hat, noch je ueber Handeln und Theorien zu bilden in der Lage sei. M.E. duerfte es auszuschliessen sein, dass man einem Menschen mit einer derart desolaten Verfassung begegnen duerfte oder ihm je begegnet ist. Dies ergibt die sehr nahe liegende Frage: Wie ist eigentlich ein Skeptiker? Ausserdem: Wie weit koennen, philosophische Prinzipien entwickelt werden, wenn sie Moegliches und Ungewisses in Betracht ziehen?

Skepsis, die unverzichtbar scheint

(4) Folgende naeher erlaeuterte Art von Skepsis scheint allerdings eine notwendige Bedingung fuer systematisches Forschen zu sein, denn sie sorgt fuer die Unvoreingenommenheit unserer Urteilsfaehigkeit und entwoehnt uns von allen jenen Vorurteilen, die wir durch Erziehung oder voreiliges Meinen aufgenommen haben. Diese Art gemaessigter Skepsis scheint mir ausserdem sehr plausibel.
Wir beginnen [beim systematischen Forschen] im Sinne dieser Skepsis mit klaren und sich aus der Sache ergebenden Grundannahmen, gehen behutsam und jeden Schritt sichernd weiter, ueberdenken immer wieder unsere Schlussfolgerungen und pruefen die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen sehr genau. Zwar werden wir auf diese Weise nur langsam und in geringem Masse vorankommen, aber ich halte dies fuer die einzigen Methoden, durch die wir hoffen koennen, Zutreffendes herauszufinden und einigermassen verlaessliche und begruendete Aussagen machen zu koennen.

Skepsis als Folge wissenschaftlicher Theorien

(5) Im Gefolge von Wissenschaft und Forschung stellt sich im Zusammenhang mit deren spezifischen Theorien, mit denen diese ueblicherweise beschaeftigt sind, eine weitere Art von Skepsis ein: Menschen muessen dabei naemlich entdecken, dass sie einerseits voellig verwirrt werden bzw. dass sie nicht in der Lage sind, [sich von den Ergebnissen der Wissenschaften] eine verlaessliche Vorstellungen zu machen.


Original

Sceptic as an enemy must not exist

(2) The Sceptic is another enemy of religion, who naturally provokes the indignation of all divines and graver philosophers; though it is certain, that no man ever met with any such absurd creature, or conversed with a man, who had no opinion or principle concerning any subject, either of action or speculation. This begets a very natural question; What is meant by a sceptic? And how far it is possible to push these philosophical principles of doubt and uncertainty?

this Sceptic is necessary

(4) It must, however, be confessed, that this species of scepticism, when more moderate, may be understood in a very reasonable sense, and is a necessary preparative to the study of philosophy, by preserving a proper impartiality in our judgments, and weaning our mind from all those prejudices, which we may have imbibed from education or rash opinion. To begin with clear and self-evident principles, to advance by timorous and sure steps, to review frequently our conclusions, and examine accurately all their consequences; though by these means we shall make both a slow and a short progress in our systems; are the only methods, by which we can ever hope to reach truth, and attain a proper stability and certainty in our determinations.

t his Sceptic is a product of sciences

(5) There is another species of scepticism, consequent to science and enquiry, when men are supposed to have discovered, either the absolute fallaciousness of their mental faculties, or their unfitness to reach any fixed determination in all those curious subjects of speculation, about which they are commonly employed.

Hume: „Ich möchte Erfahrbares und Erforschbares studieren!“

Dass es sich lohnen duerfte, Hume zu revisitieren, koennte auch folgendes Resuemee des 22jaehrigen Philosophen nahe legen.

„Ich habe herausgefunden, dass die Philosophie ueber menschliches Handeln seit der Antike mit derselben Unzulaenglichkeit arbeitet wie die Naturwissenschaften. Beide gehen m.E. ausschließlich von Hypothesen, d.h. ueberwiegend von Erfindungen aus, anstatt sich auf Erfahrbares und Erforschbares zu beziehen. Jeder Philosoph bemueht seine Fantasie und errichtet Chimaeren inner- und zwischenmenschlicher Tugenden (Idealitaeten) und erfuellender Lebenskonzepte, ohne die menschliche Natur mit einzubeziehen, von der – aus meiner Sicht – jede philosophische Schlussfolgerung ueber gesellschaftsweit praktizierte Mitmenschlichkeit ausgehen muesste.

Deshalb moechte ich vor allem Erfahrbares und Erforschbares studieren und dieses als Quelle von Kenntnissen sowohl fuer aesthetische wie fuer humane Wissenschaften verwenden. Ich halte es inzwischen fuer eine Tatsache, dass die meisten verstorbenen Philosophen Opfer ihrer eigenen ueberragenden geistigen Faehigkeiten geworden sind.

Außerdem bin ich sicher, dass man nicht viel mehr tun muss, um zu verwertbaren Ergebnissen zu kommen, als alle diese alten Vorurteile zugunsten der eigenen Meinung oder der anderer wegzuwerfen. Davon duerfte es letztlich abhaengen, ob meine Schlussfolgerungen fuer zutreffend gehalten werden oder nicht. Innerhalb der letzten drei Jahre habe ich meine Schlussfolgerungen in einem Ausmaß vervielfacht, dass ich damit viele Stapel Papier mit Notizen fuellen konnte, die nichts weiter als meine eigenen Erfindungen enthalten.“

Diese Notizen bildeten die schriftliche Grundlage fuer Humes „Treatise Of Human Nature“.

(David Hume: Brief an einen Arzt. Edinburgh 1734. Abgedruckt in John Hill Burton: Life and Correspondance of David Hume. Edinburgh 1846. Band I. S. 30 – 39. Die Veroeffentlichung ist als PDF im Widget „Ueber Hume“ verlinkt und komplett downladbar bei Google-Buch.)

Revisit Hume

Die Idee dazu ist kaum ein Jahr alt. Es ergab sich mit anderen die Gelegenheit im Netz zu einem Hume-Diskurs. Mir fiel – im Unterschied zu den anderen Beteiligten – die Lektuere der ENQUIRY CONCERNING HUMAN UNDERSTANDING – von mir inzwischen als UNTERSUCHUNG UEBER MENSCHLICHES DENKEN transponiert – leicht und ich konnte Hume’s Darstellungen nachvollziehen und mir konkrete Vorstellungen darueber machen, wovon er jeweils sprach.

Dies war vor vielen Jahren anders gewesen. Meine erste Lektuere Humes war schnell beendet gewesen. Ich konnte mit Hume nichts anfangen: Das soll Philosophie sein? Philosophie war fuer mich damals etwas bei dem Menschen von Introspektion ausgehen, apriorische Schlussfolgerungen ziehen und diese Ergebnisse auf ihr Handeln und Denken anwenden. Auf diese Weise war ich meine eigene Schulmeisterin geworden und disziplinierte mein Leben im Kontext traditionellen Philosophierens. Fuer Neigungen, Affekte – die laut Hume eine zentrale Rolle in der menschlichen Natur spielten – und für Alltägliches und Situatives  war in meinem rationalistischen und dogmatischen Philosophieren kein Raum. So was hat jeder Mensch, darueber philosophiert man nicht.

Was ich damals noch nicht ahnte, im Laufe der Zeit hat sich Metaphysik … in Luft aufgeloest. Fuer mein alltaegliches Handeln und Denken erwies sie sich zunehmend als untauglich. Mein dogmatisch gepraegtes Reflektieren schraenkte mich ein. Fuer mich mussten die Dinge in bestimmter Weise sein, ich musste in bestimmter Weise handeln und denken und das reduzierte mein Entscheiden. Die Sackgassen meines Handelns und Denkens vermehrten sich bedrohlich. Andere dachten und handelten auf ihre Weise.

Mit ‚physistisch philosophieren‘ – das sich Rolf Reinhold forschend selber erarbeitet hat – kam frische Luft in meinen engen Auffassungen und neue Moeglichkeiten zu handeln. Ich lernte dogmatische Sichten in Frage zustellen und sie schließlich fallen zu lassen. Als ich dann vor knapp einem Jahr mit der neuerlichen Lektuere Hume’s begann, kam mir eine aehnlich frische Luft entgegen und sie evozierte moegliche Zusammenhaenge zu ‚physistisch philosophieren‘.

Daraus entstand das Projekt, Hume zu revisitieren. Im Moment arbeite ich daran – sofern ich Energie neben meinem Beruf finde – die ENQUIRY unter meiner neuen Sichtweise physistisch zu transponieren. In diesem Blog veroeffentliche ich Ausschnitte aus meinen Transpositionen und erste Resuemees dieser Arbeit.

Rolf Reinholds Philosophie

Rolf Reinhold ist Philosoph und Berater. Seine Beratungskonzepte sind sehr ungewoehnlich und auch für mich waren und sind sie noch immer wieder gewoehnungsbeduerftig. Menschen juengerer Generationen als die meine duerften dazu leichter Zugang finden können. Die Beratungskonzepte sind hocheffizient, wie ich erlebe. Ich habe mich vor Jahren darauf eingelassen, indem ich meinen ‚impressions‘ folgte, die mir nahe legten, dass seine Konzepte halten könnten, was sie versprachen.

„Jeder Mensch, der lernt, sich ausnahmslos an den eigenen Werten zu orientieren, wird zwar auf neue und andere Arten von Widerstand stoszen, aber seine Lebensqualitaet betraechtlich erhoehen. Unsere Hauptaktivität ist ERMOEGLICHEN: indem wir Ihnen die Wirkung menschlicher Gewohnheiten im Denken, Handeln und Verhalten deutlich machen, koennen Sie frei darüber entscheiden, WIE Sie ‚generell handeln‘ wollen.“ Eingangsseite

“ Ich halte die Orientierung des Handelns an individuellen Werten und Empfindungen für die allerwichtigste und grundlegende  menschliche Qualitaet. … Philosophen, die so wie ich denken, stellen gegensaetzliche Charakteristica plastisch nebeneinander und lassen menschliche Qualitaeten des Handelns erstrebenswert und lebenswert erscheinen. Sie lenken unsere Schritte auf diesem Weg mit gruendlichst erwogenen, lebenspraktischen Hinweisen und anschaulichsten Beispielen. Sie lassen uns den Unterschied zwischen Defiziten und Qualitaeten unseres Handelns merken.“ (Hume: Untersuchung über menschliches Denken I,1. ENQUIRY CONCERNING HUMAN UNDERSTANDIGN I,1)
Hinter diesen Konzepten stehen die Resuemees und Reflexionen von ‚physisitisch philosophieren‘, die die lebenslange Forschungsarbeit Rolf Reinholds hervorgebracht hat.

Empfehlungen für philosophische Zugaenge zu Rolf Reinholds umfangreicher Webseite:

Eigenstaendig Philosophieren

Zwei Jahre nach dem Erscheinen der ersten beiden Baende der Abhandlung Ueber die menschliche natur schrieb Hume 1740: Die Philosophie, fuer die „…ich hier eintrete, scheint mir derartig faszinierend Neues zu beschreiben, sodass …[sie] die Aufmerksamkeit der Oeffentlichkeit verdient.“*

*Im Vorwort der ZUSAMMENFASSUNG UEBER EIN KUERZLICH ERSCHIENENES BUCH mit dem Titel ABHANDLUNG UEBER DIE MENSCHLICHE NATUR, 1741.

Die Aufmerksamkeit blieb damals aus. Hume entschloss sich – anonym – Werbung in eigener Sache mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Gedanken der ABHANDLUNG zu machen, „um die Leserschaft zu vergroeßern“ (ebd.) Die Kritik christlich-religioeser Fundamentalisten war die einzige Antwort, aber sie war fuer den von Hume gewuenschten philosophischen Diskurs untauglich. Sie hat Hume Schaden zugefuegt.  Hume resuemiert: “ Ich werde mich damit begnuegen muessen, eine Zeitlang geduldig darauf zu warten, bis die Meinung der gelehrten Welt diesen Darlegungen wird zustimmen koennen.“ (ebd.) Eine breite Zustimmung zu den Hume’schen Darlegungen ist bis heute ausgeblieben. Acht Jahre spaeter in der ENQUIRY  CONCERNING HUMAN UNDERSTANDING erwaehnt er das Schweigen auf die Veroeffentlichung seiner Philosophie als moegliche Folge seines jahrelangen und weltabgeschiedenen Forschens in seiner eigenen „inneren Fabrik“. Ueber diese energieverbrauchende und zeitlich ausgedehnte Arbeit, habe er wohl vergessen, dass er ein soziales Wesen sei*, bzw. Beschraenkungen durch andere akzeptieren muesse,  koennte man aus seinen Darlegungen schließen.

*Vgl. UNTERSUCHUNGEN UEBER MENSCHLICHES DENKEN I,7. Ueblicherweise heißt der deutsche Titel Untersuchung ueber den menschlichen Verstand. Weil ‚VERSTAND‘ aber metaphysische Mitbedeutungen assoziiert, die m.E. nicht zum Hume’schen Philosophieren passen und deshalb auch den Zugang dazu mindestens erschweren, habe ich ihn veraendert. Ich werde dazu noch spaeter Naeheres erlaeutern.

Der wissenschaftlichen Welt seiner Zeit und ihren aufgeklaerten Buergern scheint entgangen zu sein, welche reiche Moeglichkeiten des Philosophierens Hume’s Veroeffentlichungen boten.


Habe Mut,

Dich ohne fremde Leitung Deines eigenen Denkens zu bedienen.

Hume ging davon aus, dass seine Philosophie jedem Menschen eigenstaendige Antworten wuerde ermoeglichen koennen, was dem aufgeklaerten Ideal seiner Zeit „handeln und denken ohne Bevormundung durch Autoritaeten“ entsprach. „Derartige gewagte Versuche, wie dieses Buch sie unternommen hat,“, so faehrt er in der ZUSAMMENFASSUNG fort, „scheinen mir in jedem Fall von Vorteil fuer die weltweite Wissenschaftsgemeinschaft, denn sie schuetteln das Joch der Autoritaeten ab und koennen Menschen daran gewoehnen eigenstaendig zu denken. Sie geben Anregungen, die bereits eigenstaendig denkende Menschen produktiv weiter verfolgen koennen und fordern zum Widerspruch heraus, weil sie Sachverhalte erlaeutern, deren implizite Irrtuemer bisher noch niemand aufgefallen sind.“ (Im Vorwort der Zusammenfassung.)

Mit diesem Ansatz Anleitung und Anregung zum eigenstaendigen Handeln und Denken geben zu wollen, unterscheidet sich Hume’s Philosophie deutlich von metaphysischen Philosophien, weshalb in ihr m.E.– abgesehen von gleichen Lautzeichenfolgen* – keine Beruehrungspunkte mit diesen zu finden sind. Seine Empirie entspricht nicht der Empirie wie Metaphysiker bzw. Philosophen des Geistes, der Sprache oder Materialisten sie fassen. Er hat weder eine neue Erkenntnistheorie, noch eine neue Kausalitaetstheorie entwickelt. Seinen vielfaeltigen Beschreibungen sind derartige Konstrukte m.E. nur zu unterstellen, wenn man vieles ueberliest.

*“Lautzeichenfolge“ steht für Wort.


ASPEKTUALISIEREN

Seine experimentelle Methode des Philosophierens geht vom Prinzip des ASPEKTUALISIEREN aus. D.h. er geht um die Dinge herum, die er zum Thema macht. Betrachtet sie von allen Zeiten, beschreibt, was er sieht und ueberlaesst es dem jeweiligen Leser, zu pruefen und eigenes zu schlussfolgern. Dies scheint Hume-Forscher zu irritieren. Es wird nach eindeutigen, klar definierten Auffassungen Hume’s geforscht. Es werden ihm Unterlassungen, Widerspruechlichkeiten und Banalitaeten unterstellt.

So wird z.B. zu Humes Beschreibungen, wie Erfahrungen und Gewohnheit unser Denken ueber die Welt bestimmen, kommentiert: „… die Entstehung unserer Meinungen ueber die Welt richtig zu erklaeren, heißt nicht, einen Beleg dafuer zu liefern, dass unsere Meinungen ueber die Welt auch richtig sind.“ *

*Jens Kuhlenkampff: David Hume. Muenchen 1989, S. 71.

Hume erlaeuterte dazu: Wenn ich die menschliche Neigung, eine Vielzahl aehnlicher aufeinanderfolgender Ereignisse als Ursache-Wirkungs-Beziehungen aufzufassen, mit Gewohnheit bezeichne, “ … bedeutet dies nur, dass ich ein Wort verwende, ohne damit eine letzte unhintergehbare Begruendung zu liefern. Ich weise lediglich auf ein Muster menschlichen Verhaltens hin, dass allgemein anerkannt wird und das mir in seinen Auswirkungen wohl vertraut ist.“ * Und er fuegte hinzu: ‚Eventuell wird es uns eines Tages moeglich sein, mehr darueber herauszufinden.*

*Hume: UNTERSUCHUNG ÜBER MENSCHLICHES DENKEN V,5.


KAPIERBARes Philosophieren

Hume wollte Menschliches kapierbar darstellen. Dabei dachte er an einen eigenstaendig denkenden und handelnden Leser oder zumindest an einen, der dies sein moechte. Diesen moechte er mit von ihm entdeckten Hinweisen – anstatt mit Wahrheiten – darin unterstuetzen, eigene Antworten auf Fragen zu finden. Dabei zu behaupten, das eine waere ‚richtig‘ und das andere ‚falsch‘ koennte im Kontext Hume’scher Philosophie bedeuten in voraufklaererische Denkweisen zurueckzufallen. Hume hat meiner Meinung nach fuer sich aus seinen Beobachtungen Schlussfolgerungen gezogen – die er fuer zutreffend hielt – und die er anderen diskursiv zur Verfuegung stellte.